Zeit zu reden: Missverstanden, diffamiert, kriminalisiert – Palästinasolidarität in Deutschland
Eine Diskussion über Strategien gegen Entmenschlichung und Radikalisierung19.00-22.00
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für Erwachsene
auf Deutsch
Sich mit den Menschen in Palästina zu solidarisieren ist in Deutschland eine Gratwanderung und erfordert Mut. Denn seit dem 7. Oktober 2023 werden Symbole palästinensischer Identität und Kultur – das Tuch (Keffiyeh), die Fahne, die Wassermelone – als problematisch dargestellt, als Hamas-Unterstützung gelesen und in manchen Kontexten sogar verboten. Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang von antipalästinensischem Rassismus. Dabei wird die Existenz der Palästinenser*innen als Gemeinschaft geleugnet, palästinensische Identität wird herabgewürdigt und verächtlich gemacht. Das Phänomen ist nicht neu – das Gedenken an die Nakba etwa wurde schon immer erschwert oder pauschal kriminalisiert – es hat sich aber deutlich verschärft.
In einer eigenen Datenbank, dem Index of Repression, sammelt das European Legal Support Center (ELSC) Beispiele für die Diskriminierung von Palästina-Solidarität. 766 Vorfälle sind dort dokumentiert – darunter Zensur, abgesagte Veranstaltungen, mediale Hetzkampagnen, Festnahmen, polizeiliche Übergriffe, Hausdurchsuchungen, Kündigungen und finanzielle Repressalien. Davon betroffen sind vor allem Menschen mit palästinensischer Migrationsgeschichte, aber auch andere, die sich solidarisch äußern. Wer ein „Ende des Genozids in Gaza“ oder ein „freies Palästina“ fordert, wer zum Widerstand gegen Besatzung oder zu einem Boykott israelischer Institutionen oder Unternehmen aufruft, gilt in Deutschland schnell als „Israelhasser*in“ oder „antisemitisch“.
Das Panel diskutiert, welche Narrative und Vorurteile dem antipalästinensischen Rassismus zugrunde liegen und welche historischen Kontinuitäten sich darin spiegeln. Was unterscheidet antipalästinensischen Rassismus von anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wie Antiziganismus, Antisemitismus oder antimuslimischem Rassismus? Wie sinnvoll ist es, ihn als eigenständige Form rassistischer Diskriminierung zu benennen? Ziel ist es, Dynamiken besser zu verstehen, um effektiver dagegen vorzugehen. Was muss passieren, damit jene, die das israelische Vorgehen in Gaza und im Westjordanland ablehnen, sich auch öffentlich dazu bekennen und solidarisch mit den Palästinenser*innen äußern? Welche Rolle spielen Politik, Medien und Wissenschaft? Welche Strategien helfen im Kampf gegen Entmenschlichung und Diffamierung? Und wo finden sich potenzielle Verbündete?
Diese Veranstaltung wird unterstützt von der Schöpflin Stiftung, der Stiftung Mercator, der Robert Bosch Stiftung und der Postcode Lotterie.
Teilnehmer*innen der Podiumsdiskussion: Prof. Sabine Schiffer, Qassem Massri, Dr. Peter Ullrich und Natali Gbele
Moderation: Kristin Helberg