Spore Hosts: Zeit zu reden: Die deutschen Medien und Gaza
Eine kritische Diskussion über die Berichterstattung deutscher Medien seit dem 7. Oktober und dem Angriff auf Gaza19.00-21.00
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Seit mehr als einem Jahr erscheint der öffentliche Diskurs in Deutschland abgekoppelt von den Ereignissen in Nahost und der internationalen Berichterstattung darüber. Dies hat auch mit der mangelnden Bereitschaft deutscher Medien zu tun, das Kriegsgeschehen professionell und unabhängig abzubilden und dabei die nötige Distanz zu Informationsquellen und politischen Akteuren zu wahren.
Vor allem in den ersten Monaten haben sich viele Redaktionen von der deutschen Staatsräson leiten lassen, die als uneingeschränkte Solidarität mit Israel und bedingungslose Unterstützung der israelischen Regierung verstanden wurde. Nicht nur in der Politik, auch in den Medien herrschen mit Blick auf Israel und Palästina doppelte Standards. So hat sich eine Kluft zwischen der Kriegserzählung in Deutschland und der Wahrnehmung in anderen demokratischen Staaten aufgebaut, die nur schwer zu überbrücken scheint – mit weitreichenden Folgen für Kultur und Wissenschaft.
Was sind die Gründe für dieses journalistische Versagen? Fehlendes Hintergrundwissen und Personalmangel oder eher politischer Druck und Einflussnahme von außen? Welche Rolle spielt bei Journalist*innen und potenziellen Interviewpartner*innen die Angst, als antisemitisch diffamiert zu werden, womöglich seinen Job, weitere Aufträge oder öffentliche Gelder zu verlieren? Und haben wir es bei falscher oder einseitiger Berichterstattung mit einer Häufung bedauerlicher Einzelfälle zu tun oder gibt es – etwa im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – ein strukturelles Problem?
Umfragen zufolge hat fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung wenig oder gar kein Vertrauen in die Berichterstattung deutscher Medien zu Gaza und Israel. Wie wirkt sich das auf die Pressefreiheit, auf Debatten in der Kunst- und Kulturszene und auf die Demokratie insgesamt aus? Und wie ließe sich Vertrauen zurückgewinnen?
KRISTIN HELBERG (moderator) - Die Politikwissenschaftlerin und Journalistin KRISTIN HELBERG berichtete sieben Jahre lang von Damaskus aus über den Nahen und Mittleren Osten für deutsche, österreichische und Schweizer Hörfunkprogramme sowie verschiedene Print- und Onlinemedien. Heute arbeitet sie als Autorin, Nahostexpertin und Moderatorin in Berlin. Im Herder Verlag erschienen von ihr „Verzerrte Sichtweisen – Syrer bei uns. Von Ängsten, Missverständnissen und einem veränderten Land“ (2016) und „Der Syrien-Krieg. Lösung eines Weltkonflikts“ (2018). Als Stipendiatin der Stiftung Mercator untersuchte sie die syrische Diaspora in Deutschland.
Jan-Christoph Kitzler ist ARD Korrespondent in Tel Aviv. Er hat Geschichte, Politik und Philosophie in Freiburg und Glasgow studiert und beim NDR volontiert. Er arbeitete als Fernsehreporter unter anderem für ARD aktuell und ist seit 2006 beim Deutschlandradio. Von 2013 bis 2019 war er ARD Korrespondent in Rom, seit 2022 berichtet er aus Tel Aviv über Israel und die palästinensischen Gebiete.
Daniel Bax, geboren 1970, ist Journalist und Autor. Er arbeitet, mit Unterbrechungen, seit Ende der Neunzigerjahre für die tageszeitung (taz), schreibt auch für andere Medien über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und referiert zu Journalismus und Meinungsfreiheit sowie zu Migrations- und Religionspolitik. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den aktuellen Rechtspopulismus.
Kai Hafez ist Politik- und Medienwissenschaftler und Inhaber der Professur für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Vergleichende Analyse von Mediensystemen an der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt. Er forscht insbesondere zu kulturvergleichender Medienethik, Medien und Politik in Deutschland und im Nahen Osten sowie Auslandsberichterstattung. 2020 wurde er in den "Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (UEM)“ des Bundesinnenministeriums berufen.
Alena Jabarine ist Deutsch-Palästinenserin und wurde 1985 in Hamburg geboren. Sie studierte Politikwissenschaftlerin und Internationale Beziehungen in Hamburg und Barcelona und absolvierte im Anschluss ihr Volontariat beim NDR. Seit dem arbeitet sie als freie Journalistin für unterschiedliche Medien und lebte ab 2020 für drei Jahre in Ramallah, wo sie für das Palästina-Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung tätig war. Jabarine ist Tochter einer Deutschen und eines palästinensischen Israelis.