In Zeiten von Trauma und Trauer ist es eine Kunst, sich zu erinnern. Ein Trauma kann das Gedächtnis wie eine Lawine überrollen. Die Erinnerung verfolgt den Traumatisierten wie ein Gespenst, wie ein unheimliches Gefühl und eine verkörperte Wahrnehmung. Der direkte Weg in die Vergangenheit ist versperrt. Das unverfügbare Wissen wird durch imaginäre Bilder, starke Emotionen, manchmal sogar phantasmatische Szenen ersetzt. Eröffnet dies auch einen Raum für die Imagination, einen Raum für die Kunst? Ist die Kunst ein Medium des Traumas?


 
Dass die Kunst- und Kulturszene unter dem Druck der politischen Einmischung steht, mag daran liegen, dass sie einen Raum eröffnet, in dem Traumata zugänglich werden - als Zonen der Unbestimmtheit und radikalen Unverfügbarkeit. In einem Moment, in dem klare Abgrenzungen notwendig erscheinen, ist die Kunst in ihrer Logik der Verweigerung von Erklärbarkeit scheinbar schwer zu ertragen.


Die gegenwärtige Eile, die Künste zu zensieren, scheint dem Drehbuch einer Erinnerungskultur zu folgen, die auf vermeintlichen Eindeutigkeiten beruht und letztlich Ausschlüsse (re)produziert: Unter der Prämisse der deutschen Staatsräson, die auf eine bedingungslose Unterstützung der israelischen Politik setzt, soll jüdisches Leben durch teilweise repressive Maßnahmen geschützt werden, was dazu führt, dass palästinensisches Leben und palästinensische Narrative oft nicht wahrgenommen werden.


 
Diese autoritäre Politik wirft Fragen auf: Hat man den Verdacht, dass sich in der postmigrantischen Gegenwart mehrere Wahrheiten überschneiden und verschiedene Traumatisierungen aufeinanderprallen (vgl. Inan 2022)? Fühlt man sich beim erinnerungspolitischen Umgang mit dem Trauma des Holocaust mit der Unzulänglichkeit konfrontiert, dem Antisemitismus in den eigenen Reihen nicht begegnen zu können (vgl. Rothberg)? Läuft eine traumazentrierte Erinnerungspolitik nicht Gefahr, von Gewalt betroffene Menschen und ihre Nachkommen für immer als Opfer zu definieren (vgl. Hirsch 2024)?  
 
 
 
Die Veranstaltung sucht keine abschließenden Antworten, aber sie verbindet die Frage nach der Kunst der Erinnerung mit dem Wunsch, Erinnerung jenseits der hegemonialen Skripte zu diskutieren. Das bedeutet auch, dass wir die Erinnerung als künstlerische Form diskutieren wollen. Wir sehen Kunst als ein Medium des Traumas, als eine Möglichkeit, Zusammenhänge zu erforschen. Was also kann Kunst in Zeiten tiefer Trauer leisten und wie kann sie ein Medium für eine Praxis sein, sich im Trauma nicht voneinander zu isolieren, sondern in der Trauer zu verbinden?