Es wäre unfair zu sagen, dass alle künstlich angelegten Bienenstöcke auf der Welt Orte der Ausbeutung und Beherrschung sind. In zahlreichen, vor allem kleinen Imkereien lieben die meisten Imker*innen die Bienen, behandeln sie mit Fürsorge und betrachten sie mit Ehrfurcht. Denn sie sind liebenswerte Wesen, deren Existenz wir von Natur aus mit Süße verbinden.

 

Dennoch sind Bienenstöcke oftmals Orte maßloser Ausbeutung. Bei Vielen erreicht das industrielle Dimensionen – einige gigantisch –die auf den Prinzipien von Extraktivismus, Vervielfältigung und Effizienz basieren, die jedem seriellen Produktionsprozess zu eigen sind. Es ist überflüssig zu sagen, wohin uns diese Praktiken der unersättlichen Ausbeutung und Beherrschung geführt haben. 

 

Vor ein paar Monaten besuchte ich das Dorf Maní auf der Halbinsel Yucatán. Ich fuhr mit der Absicht dorthin, die dort lebende Gemeinschaft der Melipona-Bienen und der Menschen, die sich aus Berufung der Aufzucht dieser Bienen widmen, kennen zu lernen. Angesichts der empfindlichen Natur dieser Bienenart und der besonderen Sensibilität der Menschen vor Ort wusste ich, dass ich dort eine aufrechte und faire Form der Bienenzucht antreffen würde. Doch was ich in den Bienenstöcken beobachtete, war viel mehr als eine gleichberechtigte Partnerschaft; ich wurde Zeuge einer liebenswerten, uralten Praxis der Wechselbeziehung zwischen den Arten. Ebenso war ich berührt von der Einheit und der unglaublichen Intelligenz der Schwärme. 

 

Wir haben ein Haus für die Melipona-Bienen gebaut: ein Gebäude das sowohl Spiegelbild als auch Resultat der Beobachtung, des Lernens und der ungestörten Erkundung dieser geflügelten Nymphen ist, die in ihrer liebevollen Lebensweise ohne Stachel auskommen. 

 

Es ist ein Haus, das Opfergabe und Dankbarkeit zugleich ist. Mehr als eine Anmaßung soll es eine Geste sein, ein Treffpunkt. Ein Versuch – der vielleicht gelingt, vielleicht nicht –, der Königin und ihren vielfältigen Nachkommen Freude zu bereiten und sie zu ehren. Das kleine Gebäude wird den Bienen als Geschenk zurückgegeben werden, an sie und an die Blüten, die Landschaft und die Gemeinschaft, die ihnen ein Zuhause gibt, und damit eine erstaunliche Vielfalt von Fähigkeiten, Leistungen und wechselseitigen Beziehungen ermöglicht. 

 

Dieses Experiment könnte uns vielleicht zu ihren kurzzeitigen Verbündeten machen – wenn auch nur symbolisch – und zu ihren Schüler*innen, um von ihrer kollektiven Lebensweise, von ihren ganzheitlichen Organisationsformen, ihrer Komplizenschaft und der tadellosen Aufzucht ihrer Kleinen zu lernen. Ein Geschenk also für die Bienen, das keine andere Gegenleistung erwartet, als die Möglichkeit von ihnen zu lernen und ihr Vertrauen zu gewinnen.  

 

Dieses kleine Gebäude ist gleichzeitig eine Behausung und eine Aussage, die aus einem einzigen Wort besteht: Sphäre. Gestirn, Gepräge, mütterliche Brust, geschmeidiges Volumen frei von Kanten, Universum von unendlicher Kontinuität, dessen Inneres zur freien Gestaltung der königlichen Kammer und jener Welt der Gewölbe, Gänge, Laboratorien und Wiegen einlädt, die von den Melipona-Architektinnen gebaut werden. Es ist ein Tempel mit einem einzigen Eingang – dem Flugloch –, das von der stoischen Wächterin bewacht wird, die ihren Stab seit jeher an jeden Melipona-Stock weitergegeben hat, der jemals existiert hat. Wenn die Zeit kommt, werden sie es bewohnen, dort in Maní, und in ihren Mitteln und Wegen werden wir – so möchte ich glauben – eine Fülle von Erkenntnissen, Lehren und Antworten finden.

 

Bewohner*innen gestalten ihre Umgebung, und verwandeln sie in ihre eigene Welt. Gemeinsamkeiten sind, im dynamischen Spiel mit den Unterschieden, der paradoxe Ausgangspunkt für eine möglichen Form der Kommunikation zwischen den Arten. Eine Behausung ist dabei ein universeller Bezugspunkt: Sie wird anerkannt, respektiert oder unrechtmäßig betreten – sie wird bewohnt und verteidigt – bis mit der Zeit ein jedes Haus das Besondere im Universum eines jeden Reiches verkörpert.

 

Ariel Guzik, 12.09.2022

 

Übersetzung von Camilla Elle und Conny Gritzner für Gegensatz Translation Collective.

Ariel Guzik
Ariel Guzik