"Meliponicultura": Geschichten und Wissensaustausch
Die in Mittel- und Südamerika heimische Melipona-Biene, Xunáan Kaab in Yukatekisch Maya, ist eine stachellose Biene. Viele Maya-Gemeinschaften kümmern sich seit präkolumbianischer Zeit um die Bienenvölker, halten und pflegen sie und sichern ihren Fortbestand. Innerhalb des reichen Ökosystems ihrer Heimat spielt die Melipona-Biene als Bestäuberin eine essenzielle Rolle für den Erhalt der biologischen Vielfalt. Heute sind diese einheimischen Bienen und ihre Lebensräume durch die Zerstörung der Wälder und den Einsatz von Pestiziden in der industriellen Landwirtschaft bedroht. Die agrarökologische Schule U Yits Ka'an fördert seit Jahrzehnten die Meliponicultura, die Kultur der Haltung dieser besonderen Bienenart, und damit sowohl das seit Jahrhunderte überlieferten Wissen als auch die wichtige Rolle der Melipona-Biene in der Kosmovision der Maya. Atilano Ceballos Loeza, einer der Gründer U Yits Ka'an erklärt:
Vielleicht wäre es angemessen und richtig zu sagen, dass unsere Großmütter und Großväter und wir, ihre Nachkommen von heute, zum Teil von den Bienen und all der biologischen Vielfalt abstammen, die heute mehr denn je bedroht ist. Ohne Bienen gibt es keine Ökosysteme und ohne Ökosysteme gibt es kein Leben.
Die Zusammenarbeit mit der Schule U Yits Ka'an umfasste verschiedene Phasen und Formate, die gemeinsam mit Imker*innen, Epigraphiker*innen, Landwirt*innen, Dichter*innen, Illustrator*innen und Kindern unterschiedlichen Alters umgesetzt wurden. Aus dieser Zusammenarbeit entstehen ein generationenübergreifendes Bilderbuch und ein Animationsfilm über die Melipona-Biene.
Um das vielfältige Material und Wissen über die Melipona-Biene zu strukturieren und besser verbreiten zu können, wurden im Dialog mit U Yits Ka'an fünf zentrale Themen identifiziert: die Rolle der Melipona-Biene in der Lebensgemeinschaft Wald; die, über Jahrtausende gewachsene, Symbiose zwischen Maya-Gemeinschaften und den stachellosen Bienen; die Rolle der Melipona-Biene in der Kosmovision der Maya; die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten von Bienenprodukten; sowie die Bedrohungen für Bienen und die Kultur der Bienenhaltung durch die Zerstörung der Umwelt. Arbeitsgruppen aus Vertreter*innen der agrarökologischen Schule U Yits Ka'an, Melipona-Imker*innen, lokale Kleinbäuer*innen und Maya-Epigraph*innen erarbeiteten auf Basis dieser Themen verschiedene Inhalte und visuelle Materialien. Diese dienten als Ausgangspunkt für die Arbeit der Autor*innen des Kinderbuchs und des Animationsfilms.
Die agrarökologische Schule U Yits Ka'an organisierte zusammen mit der Künstlerin Vanessa Rivero am 21. Oktober in Maní und am 23. Oktober 2021 in Valladolid Workshops für Kinder zum Thema Meliponicultura. Anlass war die Wiederbelebung des traditionellen Xunáan Kaab-Festivals. Ziel des Workshops war es, den Kindern das überlieferte Wissen zu Melipona. Bienen, sowie die mit ihr verbundene Kultur und Kosmovision näher zu bringen und sie dazu zu ermutigen, diese Arbeit und ihre Traditionen fortzusetzen und das Gelernte weiterzugeben. Der Workshop befasste sich mit einer Vielzahl von Themen, wie dem Lebensraum der Melipona-Biene, ihre zentrale Rolle als Bestäuberin im Wald und in der Milpa, traditionellen Formen der Imkerei, und der Nutzen dieser Biene für den Menschen. Zu letzterem zählt vor allem die Heilwirkung des Honigs und des Pollens. Auf Basis von Gesprächen mit den lokalen Imker*innen schrieben die Kinder Briefe an die Bienen, malten, dachten sich Gebete aus, und lernten aus Honig traditionelle Heilmittel herzustellen. Zeichnen und aufmerksames Beobachten waren dabei wichtige Elemente, um den Kindern zu vermitteln wie die Umwelt, und das Leben in ihr, miteinander und mit den Kindern selbst verbunden ist.
Die agroökologische Schule U Yits Ka'an organisierte gemeinsam mit Julián Dzul Nah und Abrahán Collí Tun, beides Forscher*innen, Programm-Gestalter*innen und lokale Netzwerker*innen in Yucatán, einen Workshop über die Melipona-Bienen. Im Mittelpunkt des Workshops stand der Erhalt verschiedener Formen sich zu erinnern, wie etwa die Erinnerung, die enthalten ist in der Landschaft, in präkolumbianischen Texte, in Zeremonien, in heiligen Orten oder im Saatgut - der Milpa. In unmittelbarer Nähe der Schule U Yits Ka'an haben spanischen Kolonisatoren viele schriftliche Zeugnisse der Maya-Vorfahren und damit ihre Erinnerung verbrannt. Nur einige wenige Schriften sind erhalten geblieben. Darunter der so genannte Madrid Kodex, dessen letzten zwölf Seiten der Meliponicultura gewidmet sind. Die Kinder haben sich mit den Darstellungen von Bienen, Imkerei, Glyphen und Gottheiten im Kodex befasst und parallel Bienen und Bienenhaltung in Aktion beobachtet. Ausgehend von der Frage "Wie können wir Wissen über das Leben der Bienen an künftige Generationen weitergeben?" erstellten die Teilnehmer*innen daraufhin ihren eigenen Kodex, den Codex Maya Xunáan Kaab. Sie haben eigene Erzählungen über Bienen entwickelt, diese teilweise mit bereits bestehenden Kenntnissen etwa zu traditionellem Wissen und zu Yukatekisch Maya-Begriffen zu einheimischen Baumarten verbunden, und waren so in der Lage ihr angeeignetes Wissen selbstständig an Freunde und Familie weiterzugeben. Der Codex Maya Xunáan Kaab wird seitdem auch in weiteren Workshops zu Naturbeobachtungen verwendet, und wird auch als Teil der Ausstellung U JUUM BÀALAM KAAB Das Summen der Wächterbiene in Berlin gezeigt.
In diesem Workshop haben die teilnehmenden Kinder die Rolle der Melipona-Biene als Bestäuberin und die Wege und Beschaffenheit ihrer Pollen genauer studiert. U Yits Ka'an, Julián Dzul Nah und Abrahán Collí Tun konzipierten hier gemeinsam eine Entdeckungsreise, die es den Kindern ermöglicht hat, ein Verständnis für die Zusammenhänge zwischen dem Pollenaustausch, den die kleinen stachellosen Bienen bewerkstelligen, der vegetativen Fortpflanzung, und dem Erhaltung ihres (und unseres) Lebensraums. Zwölf Kinder aus umliegenden Gemeinschaften nahmen am Workshop teil. Dr. Miguel Mejía, ein Spezialist für Biologie, führte in das Thema Bestäubung ein, und Marcelo León aus Dzemucut erklärte aus praktischer Perspektive, wie er in seinen eigenen Maisfeldern die Bestäubung händisch durchführt. Er stellte zwei Sorten Mais vor, die er durch umfangreiche Züchtungsprozesse entwickelt hat: Kuxtal I und Kuxtal II. Er beschrieb, wie bestäubende Insekten wie die Bienen mit dem Menschen zusammenarbeiten, und wie beide von dem Züchtungsprozess verschiedener Maissorten, die an die lokalen, natürlichen Bedingungen angepasst sind, wechselseitig profitieren. Bei einem Rundgang durch den Garten der agroökologischen Schule sammelten die Kinder verschiedene Blüten und lernten deren unterschiedliche Bestandteile kennen. Das genaue Untersuchen der Blütenpollen konnte den Kindern auf visuelle Weise vermitteln, dass auch winzig kleine Elemente der Natur eine sehr große Bedeutung haben können. Zum Abschluss des Workshops verfassten die Kinder einen Brief an die Melipona-Bienen, in dem sie sich für ihre Bestäubungsarbeit bedankten.
Mitwirkende
Ricardo Arzápalo , Regina Carolina Caamal Yah , Daniela Esther Cano Chan , María José Cárdenas Portillo , Fátima Castillo , Atilano Ceballos Loeza , Omar Said Charruf , María Elisa Chavarrea Chim , Santos Chimal , Mauricio Collí Tun , Abrahán Jesus Collí Tun , Julián Dzul Nah , Arit Noemí Euán , Iván Jiménez Balam , Roseli Jiménez Balam , Marcelo León , Raúl Lugo Rodríguez , Miguel Mejía , Francisca Moo , Adolfo Pech , Vanessa Rivero , A. Sasil Sánchez Ch , Alfredo Serralta , Emilio Torres , María Torres , Minelia Guadalupe Xiu Canché
This text is based on the accounts of the agroecological school U Yits Ka'an and was shortened and adapted for its use on this website by Spore Initiative.