Nach Pandemie, Wirtschafts-, und politischer Krise sind die Herausforderungen für Brasilien weiterhin gewaltig. Obwohl ausreichend Nahrungsmittel produziert werden (Brasilien ist der 3.größte Exporteur von Commodities weltweit), ist das Land seit 2018 wieder auf der Hungerkarte des UN-Welternährungsprogramms zu finden. Eine Agrarreform kommt seit Jahrzehnten nicht voran, weil die mächtige Agrarindustrie sich dagegen stemmt und auch unter der neuen Regierung unter Lula da Silva sind die Fragen einer sozial gerechten Verteilung von Land weiterhin ungeklärt.

 

Dabei gibt es zahlreiche zukunftsorientierte Beispiele für sozialökologische Transformation, deren Fokus neben kollektiven Organisationsformen für Ernährungssouveränität auch auf der Notwendigkeit der Überwindung einer anthropozentrischen Logik, Klimagerechtigkeit und dekolonialen Praktiken liegen.

 

Zu ihnen zählt u.a. auch die bereits seit 40 Jahren aktive Bewegung der Landarbeiter:innen ohne Land (Movimento dos Trabalhadores sem Terra - MST). In durch kollektive Erfahrungsprozesse geprägte Projekte mit einem Fokus auf Agrarökologie und verstärkt auch nachhaltige Agrarforstwirtschaft will die Bewegung der Abholzung und der Ausbeutung von Mensch und Land durch die Agrarindustrie und der verheerenden politischen Untätigkeit der letzten Jahren entgegenwirken. Zudem verfügt die Bewegung über eine aktive Rolle in der zivilgesellschaftlichen Organisation und setzt durch unterschiedliche emanzipatorische Ansätze des Empowerments in den Bereichen Bildung, Kultur, Feminismus, LGBTQI+ etc. wichtige Impulse, die inzwischen auch in vielen Teilen der Bevölkerung auf Widerhall, in anderen aber weiterhin auf Widerspruch stößt.

 

Über die Erfahrung der Bewegung, Perspektiven für einen agrarökologischen und sozialen Wandel sowie die aktuelle politische Konjunktur sprechen wir mit Felipe Campelo, Koordinator des Bildungszentrum für Agrarökologie und Agrarforstwirtschaft ›Egídio Brunetto‹ aus dem von vielen Landkonflikten geprägten Bundesstaat Bahia/Brasilien.


 
Felipe Campelo lebt in der Agrarreform- Vorsiedlung ›Bela Manhã‹ in Teixeira de Freitas. Er ist Agrarwissenschaftler mit einem Abschluss in ländlicher Soziologie und promoviert über die Analyse produktiver Agrar-Siedlungen im Süden des Bundesstaats Bahia. Derzeit arbeitet er als politischer und pädagogischer Koordinator des Bildungszentrums für Agrarökologie und Agrarforstwirtschaft ›Egídio Brunetto‹ im äußersten Süden Bahias.

 

Das Bildungszentrum Escola Popular Egídio Brunetto wurde 2013 inmitten einer Konfliktzone um Territorien zwischen einem transnationalen Zelluloseunternehmen und der Bewegung der Landlosen im Süden des Bundesstaats Bahia gegründet. Die Schule sieht sich nicht nur als ein Raum des Widerstands gegen das von der Agrarindustrie dominante Modell, sondern auch als Alternative für den Aufbau von Wissen zugunsten der Natur. Agrarökologie und Agrarforstwirtschaft sind dabei die Grundpfeiler des Bildungszentrums sowie umliegender Siedlungen, wodurch auch zur Wiederherstellung des atlantischen Waldes, der lokalen Artenvielfalt und der Stärkung agrarökologie Produktionswege in der Region beigetragen wird.

Veranstaltet von:

treemedia und maiz brasil  in Kooperation mit Spore Initiative, FDCL und Freund*innen der MST

Mit freundlicher Unterstützung durch:
NSB, LEZ, BMZ, Stiftung Umverteilen, Brot für die Welt


Im Rahmen der Speakers Tour: maiz brasil - Dekoloniale Stimmen und Praktiken für Ernährungssouveränität und Klimagerechtigkeit (treemedia e.V. 2023) Weitere Informationen findet ihr auf treemedia