Kleine Schule - Notizen und Eindrücke einer gemeinsamen (Ver-)Lernwoche
Die Kleine Schule war eine kollektive Lernerfahrung, die sich an Community-Organisator*innen, Erzieher*innen, Lehrende, Pflegekräfte und Kulturschaffende richtete.
Sie schuff einen Raum für kollektives (Ver-)Lernen und Austausch zu Themen wie Umweltgerechtigkeit, Gesundheit und Ernährungssouveränität.
Der Schwerpunkt lag dabei auf praxisbezogenen, vielfältigen Formen des Wissens und der Wissensvermittlung, die unterschiedliche Beziehungen zu Land, Wäldern, Wasser, biologischer Vielfalt und Pflanzen ermöglichen können,
aber oft an den Rand gedrängt oder nicht als „wertvolles Wissen“ beziehungsweise Methoden anerkannt werden.
Nachklänge dieses kollektiven Experiments findet ihr auf dieser Seite, mit einem Erfahrungstext von Shelley Etkin, sowie Bildern und Fanzines, die aus den Workshops heraus entstanden sind.
Die kleine Schule. Ein besonders fruchtbares Feld
Text von Shelley Etkin
Die einwöchige „Little School/Kleine Schule“ war ein Experiment, eine eigene Welt aus Welten.
Ich kann unmöglich alles vollumfänglich widergeben, möchte euch aber einladen, einigen dabei entstandenen Fragen, Empfindungen und Strategien nachzuspüren. Da der Platz begrenzt und meine Perspektive subjektiv ist, werde ich zwingend ein unvollständiges Bild zeichnen. Aber indem ihr diesen Text lest und euch vorstellt, was stattgefunden hat, ist es vielleicht dennoch möglich, dass ihr euch unserer Übung anschließt, nämlich:
das eigene, fragile Sinn-Finden wertschätzen.
Wie könnten Schulen jenseits derer aussehen, in denen wir geschult wurden?
Woran erkennen wir Lernen, wenn es geschieht?
Wie wird Wissen gemeinsam generiert?
Die Sinneseindrücke, die die Fingerspitzen treffen, wenn diese langsam nach dem Brennnesselstängel greifen, die Härchen streifen, die das Brennen auslösen. Vom Stängelansatz aufwärts erfühlen sie die Begegnung.
Das saftige Prickeln eines Bienenkrautblatts.
Eine gelbe Blüte, reibst du sie, gibt sie Indigo ab und tauchst du sie in Öl, wird sie rot, sie speichert Sonnenlicht auf Vorrat für finsterere Zeiten.
Wie können wir die Spezifizität dessen vermitteln, was wir weitergeben – seine Herkunft, die Tradition oder den kulturellen Kontext, in denen es verortet ist –, während wir es gleichzeitig für den gegenwärtigen Moment öffnen?
Wie können wir das, was wir schützen und ehren gleichzeitig lebendig und dynamisch halten?
Wie können wie es für eine Konstellation im Hier und Jetzt erfahrbar machen, für ein Kollektiv, dem viele Traditionen innewohnen?
Wir begegnen uns hier, an diesem Ort, während in & zwischen & um uns so viele andere Orte sind.
Wir sind hier, um zu vervielfältigen, nicht zu verflachen.
Wie sind hier, um aufzunehmen, nicht zu vertilgen.
Wir sind hier, um mitzuschwingen, nicht nachzuahmen.
Wir sind hier, um Gehör zu verschaffen, nicht zu vergessen.
Und wenn wir uns hier zusammenfinden, dann brandet zwischen uns ein Relief der Macht, hebt und senkt sich in vielfältigen ...

Rhythmen
Mit verbundenen Augen über eine Friedhofswiese stapfen, mit kleinen Orientierungshilfen in der Orientierungslosigkeit.
Hände klopfen auf Schenkel und Handflächen, unsere eigenen und die der anderen, Füße stampfen und springen, Stimmen sprechen die Namen der Dinge, die wir anrufen wollen, wir sagen sie vorwärts und rückwärts auf.
Geruch von Kakao, Kardamom, Zimt, Kaffee, Mais, Chili, Kreuzkümmel und die Geister, die ihnen innewohnen…
Wie können wir uns auf ein gemeinsames Ziel konzentrieren und dabei unsere Unterschiede mit einbeziehen ?
Wie weit akzeptiere ich Andersartigkeit, insbesondere wenn sie meine Prinzipien herausfordert?
Wie gehen wir mit Ausschluss in „inklusiven“ Räumen um?

Abweichen
Unterbrochen vom Sturm, der die Bühne betritt. Wir bewegen uns vom Erdboden zum Himmel, vom Ausgesetztsein zum Gehalten-Sein. Und doch ist der Sturm überall. Wir schließen die Augen.
Mit dem Bauch, den Fußsohlen, den Sitzbeinhöckern berühren wir den Boden. Wir trauen uns, Fragen zu stellen, auf die es keine klaren Antworten gibt, die stören, neugierig machen und missfallen – alles zugleich. Wir lassen den Pausen ihren Raum. Wir zeichnen die Zeichnungen der anderen weiter.
Vorschläge für Übungen oder Anweisungen versetzen uns an unsere Anfänge zurück: Sie erinnern uns daran, wie uns schon von klein auf gesagt wurde, was wir tun sollen, in einer Welt, die größtenteils von Erwachsenen definiert und kontrolliert wird. Wir holen die Erinnerung daran wieder und wieder ins Hier und Jetzt, spielen damit, reagieren darauf und reflektieren sie gemeinsam.
Wie kann ich mich zwischen dem, wogegen ich bin und dem, was ich liebe, bewegen?
Welche Formen produktiver Unterbrechung gibt es und wie funktioniern sie: den Frieden stören, ein Vorhaben unterbrechen, Spannung auflösen?
Welches Mindestmaß an Absprachen braucht es, damit wir dazu bereit sind, uns auf eine Erfahrung einzulassen?
Welche Strukturen werden angeboten und wie können wir damit integer und auf vielfältige Weise umgehen?

Resonanz & Dissonanz
Der Atem, der zum Summen wird, zum Ton, zu allen Tönen zugleich. Das Wasser, das den Abdruck der Blume und ihre Gaben an den emotionalen Körper speichert. Melodien und Verse, die auf dem Puls jahrhundertealter Arbeit reiten. Die Abmachungen und Aushandlungen, die es braucht, um gemeinsam auf die andere Seite eines Hindernisses zu gelangen. Die Zwischenräume. Die unsichtbaren Machtstrukturen, die alles durchdringen.
Was für Geschichten wollen wir erzählen?
Welches Wissen ist dir von Vorfahr*innen/Freund*innen/Lehrpersonen weitergegeben worden?
Welches Wissen hast du bisher nicht beachtet?
Von wem lernen wir?

Wir bewegen uns
von Dualismen zu Spektren
Wir bewegen uns im Raum, im Garten, in der Stadt
Wir sind bewegt und bewegen andere im Rahmen des Möglichen
Wir bewegen uns an die Ränder unserer Komfortzonen, wie Gezeiten wagen wir uns vor und weichen zurück
Wir verlagern unsere Aufmerksamkeit von Wurzel zu Stängel zu Blatt zu Blüte zu umliegendem Gewächs zu Wasser
Wir bewegen Politik, die unsichtbar auf unseren Körpern ausgetragen wird, in unseren Zellen gespeichert ist
Wir bewegten uns durch weitreichende und vielfältige Territorien, Geografien, kulturelle Landschaften
Wir haben Viele bewegt
Wie biete ich konkrete Vorschläge und Formate an und bin gleichzeitig offen für das, was gerade gebraucht wird?
Wie schaffe ich innerhalb eines vorgegeben Kontextes Raum für vielfältige Körper und Fähigkeiten?
Was ist Zusammenarbeit? Was Kollektivierung?
Was heißt es,
Ressourcen
Pflanzliche Heilmittel
Zeit
Aufmerksamkeit
Erkenntnisse
zu teilen?

Die Menschen, die in dieser Woche im Raum anwesend waren, bieten selbst Räume an, in denen Wissen und Praktiken weitergereicht werden. Wie können sich die Erfahrungen, die sie hier machen, fortpflanzen und ihre Kreise nach außen ziehen? So, dass das, was bleibt, nicht nur ein vorübergehendes Erlebnis, ein schöner Moment der Selbstverwirklichung oder die Nachahmung erlebter Formen ist? Wie kann dieser Austausch das Wie der Vermittlungsansätze in verschiedenen Communitys und Kontexten verändern? – Dies wirft uns immer wieder auf die Frage zurück, wie Lernen funktionieren kann und was als Wissen gilt. Es lädt uns ein, diese Prozesse anders zu gestalten, als es uns vielleicht beigebracht wurde. Wir tragen Verantwortung dafür, diese Impulse aufzunehmen und sie behutsam in andere Kontexte zu tragen. So, dass sie sich in unterschiedliche Richtungen anpassen, verändern, verformen, transformieren und angeeignet werden und können. Diese Weisen des Zusammenseins sind vielleicht – auf bescheidene und subtile Art – Praktiken des Weltenbauens im Rahmen aufrührerischer pädagogischer Überlegungen.

Somit ist dies keineswegs nur auf die Teilnehmenden der „Little School/Kleine Schule“ begrenzt: Auch ihr seid eingeladen, euch dem anzuschließen.
Welche Impulse kannst du in deine eigenen Praktiken mitnehmen? Wie anwendbar sind Prozesse und Prinzipien des Lernens und des Gemeinsam-Wissens auf jene Räume, in denen du dich bewegst und die du anbietest? Wie können diese Impulse unsere Annahmen darüber, was Lernen sein kann, produktiv stören und verändern – so, dass daraus neue Einsichten erwachsen?
Diese Fragen sollen Brücken, Tunnels, Rampen, Treppenschächte, Schlupflöcher, Aufzüge, Seile zum Schwingen und Wurmlöcher zum Durchrutschen sein. Sie sollen uns ermutigen und ermächtigen, anderswohin versetzen und herausfordern – wer auch immer dieses uns ist. Auf dass sich das uns ausdehnen und neu zusammensetzen kann! Die hier erfahrenen Impulse sollen inspirieren und irritieren, im Vertrauen darauf, dass jede*r von euch, jede*r von uns auf eigene Weise und in eigenen Räumen damit arbeiten wird.
Die Frage ist also:
Was wird möglich, wenn wir das alle tun? Wie sieht Lernen dann aus?

Fanzines:
Eines der Ergebnisse der Little School waren fünf Zines, die einige der Prozesse, Methoden, Eindrücke und (Ver-)Lernerfahrungen der Little School zusammenbringen.
Die Zines sind dazu gedacht, verteilt und geteilt zu werden, und die Einladung der Little School, ihrer Teilnehmer*innen und Workshopleiter*innen, Bildung und Lernen durch verschiedene Praktiken, Erkenntnisse, Prinzipien und Prozesse zu denken und diese gemeinsam zu teilen. weiterzugeben
Ihr könnt die Zines online in der Galerie (unten) durchblättern.
Die Zines können auch zum Druck (in Farbe oder Graustufen) kostenlos heruntergeladen werden. Reproduktionen dürfen allerdings ausschließlich für nichtkommerzielle Zwecke verwendet werden, dürfen nicht verändert werden, und müssen alle Credits enthalten.
Die Materialien und Texte der Zines wurden von den Workshop-Leiter*innen geschrieben und zusammengestellt, und mit Illustrationen und Bildern von Workshop-Leitenden und Teilnehmenden ergänzt.
Design für Dekoloniales Pflanzenwissen: Abeni Asante
Design for Memories that inhabit us, Voz, Canto y Comunidad, Social Body Apothecary, und Sting me, bring me to the here and now: Aditi Kapur
Druck: Papertwins